Schöne Aussichten

Schöne Aussichten

»Guck mal, die Sonne kommt durch«, strahlte meine Großmutter über das ganze Gesicht, wenn die trüben Wolken des Tages ganz plötzlich verdrängt wurden von gleißend hellen Sonnenstrahlen.

Dann stand ich da, sah erst Oma an und dann in den Himmel. Und ich konnte gar nicht anders, als meine Mundwinkel ebenfalls übers ganze Gesicht bis zu den Ohren hochzuziehen. Heute denke ich an diese Sonnenstrahl-Augenblicke mit Oma. Und ich würde gerne mit Ihr sprechen, um sie zu fragen, ob mir diesen Satz in diesen Zeiten noch einmal ausleihen darf. Wie ich sie kenne, hätte sie nichts dagegen, würde aber im Gegenzug unbedingt wissen wollen, was das Ganze nun auf sich hätte. Na? Sag mal, Lotte, was ist los? Ich sehe sie an: »Oma, dieses Virus, von dem ich dir erzählt habe, es bringt die Menschen dazu, auf Abstand zu gehen. Und nun nach einem Jahr, fragen sich viele, ob wir unser altes Leben mit all den spontanen Umarmungen und Händeschüttelein wiederbekommen.

HÄNDESCHÜTTELN HAT SICH ERLEDIGT

Es gibt erstaunlich viele Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass die Welt sich unwiederbringlich verändert hat. Gestern sagte mir ein sehr ein guter Freund, dass er glaube, Händeschütteln hätte sich absolut erledigt. Ich meine, Oma, überlege mal. Der schönste erste Kontakt zwischen zwei völlig fremden Menschen, eine erste Berührung, ein erstes Ich bin in Frieden hier. Und das soll nie wieder normal sein? Stattdessen ein kurzes wackeliges miteinander füsseln oder ellenbogenstoßen? Ich sehe Oma entsetzt vor mir sitzen. Ihre Augen werden sehr groß und dann kommen ihre Arme ganz nah an mich ran. Und ehe ich auch nur einen Pieps sagen kann, bin ich in einer Oma-Wolke aus au de Cologne versunken. Ich seufze und spüre, wie meine Tränendrüsen gerade im Begriff sind, sich auf eine richtig große Party zu verabreden. Egal, denke ich und genieße Omas breite Arme. Ich spüre, was sie mir sagen will, noch bevor ich eine Silbe aus ihrem Mund höre. »Lotte! Jetzt hör mir mal zu. Dieser Virus, von dem du mir da erzählst; Ich gebe dir recht, der ist sehr penetrant. Aber das waren in meinem Leben dicke Wolken am Himmel auch oft. Und ganz gleich, wie lange sie den Himmel eingenommen hatten, irgendwann konnten sie sich einfach nicht mehr oben halten. Wenn sich genug Wasser in ihnen gesammelt hatte, prasselte Regen herunter. Ein Ende des Grau in Grau kündigte sich an. Wenn dann die Sonne sich die ersten Lücken in den Wolken suchte und mit voller Kraft dazwischen lugte – gab es keinen Gedanken mehr an die vergangenen Stunden in Düsternis. Es war einfach vergessen. Wichtig war in diesen Augenblicken nur, dass nun die Sonne wieder lachte. Und genauso wird es mit eurem Virus sein. Jede dunkle Zeit geht irgendwann zu Ende und das Licht danach ist doppelt und fünffach schön. In allen Zeiten, die ich auf der Erde war, und du kannst mir ruhig glauben, was ich dir jetzt sage, ich habe 2 Weltkriege mitgemacht, ist der Mensch immer wieder auf die Füße gefallen. Und danach sofort aufs Herz.

ALLES TUTTI-ZEITEN

Lotte, lass dir bloß nicht einreden, dass die Düsternis sich halten wird. Das wäre etwas ganz Neues. Ganz im Gegenteil macht es Sinn. Die dunklen Tage sind wertvoll, weil sie ein Hinweis sind, dass wir nicht nur für Hell und Alles-Tutti-Zeiten auf der Welt sind. Jedes tiefe Tal ist ein Aufruf, die Sicht auf den Berg auzurichten, die Beine in die Hand zu nehmen und los zu laufen, immer mit Blick nach oben. Und auf dem Berg angekommen, wirst du nie denken: Wow, das war ja ein toller Spaziergang. Nein, du wirst wissen, dass du alle Kraftreserven mobilisieren musstest, um da zu sein, wo du jetzt bist. Und genau diese Erschöpfung wird der Grund sein, warum du wie ein kleines Honigkuchenpferdchen selig grinsend da oben rumstehst. Du wirst wissen, dass die Strapazen vorbei sind und du ab jetzt die schöne Aussicht genießen kannst. Also, Lotte, bleib cool und sollte das nächste Mal wieder ein Mensch daran zweifeln, dass sich nach dem Virus die Sonnenstrahlen zeigen, schick ihm einfach eine dicke Umarmung von mir und diese kleine Bloggeschichte hier. Ich starre Oma an. Wie sie das wieder auf den Punkt gebracht hat. Danke Oma, finde ich meine Sprache wieder. Ich gebe ihr meine Hand und sie schüttelt sie, bis ich lachend Stop rufe, weil ich schon Muskelkater im Arm fühle. Ich freu mich auf schöne Zeiten oben auf dem Berg – mit vielen Händen und Umarmungen! #Vorfreude #SchöneAussichten #Händeschütteln-bis-ich-STOP-sage

Geschwisterliebe

Geschwisterliebe

Lief deine Spucke auf mein Gesicht und du über mir sitzend mit deinem grinsenden Gesicht, schwor ich mir: Das kriegst du wieder. Meistens blieb das ein Wunsch. Du warst einfach stärker – obwohl du eigentlich viel kleiner warst. Du warst mein kleiner Bruder.

Plärrender Kassettenrecorder

Heute höre ich Deacon Blue und denke an dich. An alte Zeiten, in denen dein plärrender Kassettenrecorder mit Raintown bis in mein Kinderzimmer drang. Ich denke an dich und daran, wie sehr du mich oft genervt hast mit deinen blöden Jungsthemen. 3 Jahre zwischen uns und damit oft ganze Welten.

Später wurden aus den Welten kleine Inseln, auf denen wir uns trafen. Mit Freunden durch die Diskos unserer kleinen Stadt. Um die Hosen die gleich Anzahl an Madonna-Gürteln. Mit nassem Haar und verschwitzen Gesicht trafen wir uns zu den gleichen Songs auf der Tanzfläche, bildeten einen Kreis und strahlten uns an, weil der DJ deinen Wunsch nach endloser Warterei endlich spielte.

Kleiner Bruder

Kleiner Bruder, heute sind wir beide groß und ich höre Deacon Blue. Heute leben wir jeder unser eigenes Leben. Heute streiten wir uns oft darüber, wie du und ich jetzt sind. Heute denke an dich! In großer Geschwisterliebe.

♥ #Liebe

♡ Papabrot

♡ Papabrot

Papa! Heute ist dein Geburtstag und ich erinnere mich an deine Abendbrote mit uns. Deine Spezialität waren Brote mit Frischkäse oder von uns damals heissgeliebter Teewurst obendrauf.

Gott sei Dank war darunter nie so dick Butter wie bei Oma. Unser Highlight allerdings waren deine künstlerischen Malereien direkt auf dem Belag. Oft war es eine Sonne oder ein Haus.

Egal, was du drauf maltest. Wir grinsten breit und schaufelten uns deine Liebe direkt in unsere Bäuche. Und dann gings schnurstracks ab ins Bett.

So war das damals. So warst du!

So war das damals. So warst du! Danke Papa, für das Glück, dich an unserer Seite gehabt zu haben. Und deine wunderbaren Papabrote.

#Papaliebe

Verzeihen macht glücklich!

Verzeihen macht glücklich!

Kennst du diese kleinen Verzeih-mir-Baustellen in deinem Leben? Egal, wie oft du über deine kleinen und großen Beziehungsbaustellen grübelst. Du bekommst sie einfach nicht in den Griff? So ging es mir auch. Bis ich meine kleine Verzeih-mir-Geschichte erlebte.

Die kleine Geschichte vom Verzeihen

Und Wie Verzeihen uns glücklich macht

Es ist früh morgens und ich mache meine Laufrunde im Park. Im Vorbeilaufen sehe ich mitten auf einer alten Holzbank eine etwas mitgenommene Zeitschrift. My Time steht oben auf dem Titel. Ich denke: Schöner Titel und schnappe mir das Heft.

Im Weitergehen überfliege ich den Inhalt und stocke bei einem kleinen Verzeih-mir-Artikel.

26. Juni ist Tag des Verzeihens

Am 26. Juni ist der Tag des Verzeihens, lese ich. »Das ist ein Zeichen« flippe ich innerlich aus. »Du musst mit, Magazin.

Ich habe noch ein paar Tage Zeit und bis zum Tag des Verzeihens mache ich dich richtig schön und dann gehst du per Post auf die Reise. Ich mach was ganz Großes aus dir.«

Meine Begeisterung hat einen guten Grund: Meine eigenen kleinen Baustellen, die sich im Laufe des Lebens einfach so angesammelt haben.

In Gedanken bei den Menschen, mit denen Funkstille herrscht, schüttle den Kopf und frage mich, warum ich es über eine lange Zeit nicht geschafft habe, diese Stille aus meiner Welt zu nehmen.

Warum ist Verzeihen nur so schwer?

Ich frage mich: »Warum ist es so schwer, dass zwei Menschen sich wieder gut sind? Eigentlich ist es doch ganz einfach: Es sind nur ein paar Worte und schon wird das Herz weich: Verzeih mir! Oder auf der anderen Seite: Ich verzeihe dir!

Der Stolz zieht ein

Was hinderte mich eine lange Zeit daran, diese Worte auszusprechen? Ich erinnere mich dunkel, dass es einen Zeitpunkt gab, da war einfach so viel Gras über die Sache gewachsen, dass gefühlt der richtige Zeitpunkt verpasst war.

Die Zeit ging immer weiter ins Land und eines Tages gab es ein ganz neues Hindernis auf dem Weg zur Versöhnung. Das Hindernis hört auf den Namen Stolz.

Am Anfang einer Zerrüttung kommt er mit viel TamTam herbei geeilt, macht sich wichtig und zimmert einen kleinen eisernen Vorhang ums Herz. Irgendwann ist er dann einfach da. Die Frage nach dem Warum ist irgendwie verloren gegangen.

Du kannst jetzt gehen, lieber Stolz

Ich spüre, dass es langsam Zeit ist, ihn gehen zu lassen.

Also nehme ich meinen Stolz fest ins Visier und frage: »Stolz, sag mal, warum bist du eigentlich da?« Der Stolz und ich sehen uns verdattert an. Als nach etlichen Minuten noch immer nichts aus ihm herauskommt, werde ich deutlich. »Du weißt es gar nicht mehr, oder? Du bist einfach nur noch hier, weil du dich daran gewöhnt hast, stimmts?« Du lungerst einfach so in meinem Leben rum, weil es schön bequem für dich ist, oder?«

Der Stolz lässt den Kopf hängen. »Ja, so ist es.« tönt seine Stimme durch den Raum. »Aber ich bin doch so gerne bei dir. Und ich bin ja auch da, um dich zu schützen.  Stell dir nur vor, wenn jeder auf die Idee kommt, seinen Stolz abzuschaffen. Dann wäre ich ja arbeitslos… Und dann?« fragt Stolz mit zittriger Stimme.

Such dir ein neues Zuhause!

Ich sehe ihn an und streichle im über seinen Kopf.

»Ach Stolz, mach es mir nicht so schwer. Ich fürchte, du musst dir jemand anderen suchen. Ich möchte nicht mehr dein Zuhause sein.

Ich möchte mit den Menschen leben, sie lieben und auch wenn einige nicht mehr an meiner Seite sein werden, möchte ich, dass sie lächeln, wenn sie an mich denken.«

Versöhnung macht glücklich

Ich fühle mich leicht und mache mich fix ans Werk. In Nullkommmanix sind kleine Verzeih-Briefe geschnürt. Es steht nicht viel drin. Nur das, was wichtig ist: Verzeih mir. Als die Briefe im gelben Briefkastenschlitz verschwinden, fahre ich beschwingt nach Hause.

Gute Fügung

Was für eine gute Fügung, dass ich dieses kleine Heftchen fand. Wie gut, dass mein Bauch mich erinnerte, dass es nicht zu spät ist, um kleine Verzeih-Briefe zu schreiben.

Das größte Glück aber ist, dass der Stolz nicht mehr bei mir wohnt!« jubel ich. Ciao Stolz, HELLO VERSÖHNUNG!

#Jetzt-verzeihmir-Briefe-schreiben! #glücklich-stattstolz

Update 18.10.2020:

Typisch. Das Leben sieht die Sache mit dem Verzeihen dann doch mal ganz anders als ich. :-). Es kam einmal nix und einmal Gezeter.

Meine Oma sagte in ähnlichen Situationen immer: »Und da steh ich nun, ich armer Tor – und bin nicht klüger als zuvor«.

Recht hat sie. Ich bin also der Tor, aber arm ganz und gar nicht. Schließlich kann es doch niemals falsch sein, einem Menschen, den man verletzt hat, die Hand zu reichen. Ruhiger schlafen lässt mich meine ausgestreckte Hand in jedem Fall.

P.S.: Falls meine Verzeih-mir-Briefempfänger diesen Beitrag lesen: Es ist okay, wenn Ihr bis ans Ende der Tage schmollen wollt. Wenn nicht, gebt Euch einen kleinen Schupps. Das Leben ist doch einfach viel zu kurz für diese ewige Schmollerei 🙂